Bulletin Nr. 47; Dezember 2005

Taser – elektroschockierende Tatsachen über eine «weniger tödliche Waffe»

Mit bis zu 50000 Volt gegen Renitenz

Seit knapp drei Jahren rüsten Schweizer Polizeikorps Einheiten mit so genannten Tasern aus. Als Ersatz für Schusswaffen propagiert, zeigen Studien zum Gebrauch in Nordamerika ein ganz anderes Bild: Die meisten mit dem Taser überwältigten Menschen – vor allem unkooperative und verhaltensauffällige Personen – sind unbewaffnet, über 150 sind bisher gestorben.

Das Hauptargument der Schweizer Polizeieinheiten für den Taser ist, dass damit schwer wiegende oder gar tödliche Verletzungen durch Schusswaffengebrauch vermieden werden können. Die Erfahrungen in den USA sehen anders aus. Eine Studie von Amnesty International (AI) zeigt, dass der Taser nicht anstelle der Schusswaffe, sondern statt niederschwelliger Gewaltanwendung (physische Gewalt, Schlagstock, Pfefferspray etc.) eingesetzt wird.
Natürlich lässt sich die Situation in den USA, wo die Hemmschwelle für polizeiliche Gewalt sehr niedrig ist, nicht 1:1 auf die Schweiz übertragen. Die Antwort des Stadtrates von Zürich auf eine Interpellation bezüglich der Elektroschockpistolen, lässt aber auch hierzulande bedrohliche Auswüchse erahnen: Nebst den Einsatzbereichen, häusliche Gewalt mit bewaffnetem Täter, Geiselnahme und Amokläufer, wird auch die Anwendung gegenüber «bewaffneten oder gewalttätigen Angreifern im Zusammenhang mit Personenschutzaufträgen » und gegen «Personen, die sich einer Personenkontrolle oder Verhaftung mit einer Waffe widersetzen», postuliert.

Tasern bis zur Regungslosigkeit
Auf die Frage, ob die Polizei garantieren kann, dass bereits festgenommene Personen nicht getasert werden, gibt der Stadtrat im Auftrag der Polizeivorsteherin Esther Maurer folgende Antwort: «Ist die Täterschaft arretiert und mit Fesseln gesichert oder befindet sie sich bereits in polizeilichem Gewahrsam, so erweist sich die Anwendung von verhältnismässiger Gewalt nur noch dann als berechtigt, wenn der Täter ohne dieses Zwangsmittel (beispielsweise aufgrund seiner eigenen gewalttätigen Renitenz) nicht transportiert werden kann, er durch sein Verhalten die Sicherheit konkret und unmittelbar gefährdet, er sich durch Flucht der Strafverfolgung zu entziehen sucht oder eine akute Eigengefährdung abgewendet werden muss.» Es ist bedenklich, dass diese Möglichkeit in Betracht gezogen wird, da keinerlei Untersuchungen zur Gefährlichkeit von Elektroschocks für gefesselte Personen existieren. Zudem zeigt die Analyse der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Tasern in den USA, dass Personen, die schon gefesselt am Boden liegen, so lange weiter getasert werden, bis sie sich nicht mehr rühren. Laut dem Bericht von AI vom 30.11.2004, der Misshandlungen durch Tasereinsatz zwischen 1999 und 2004 untersucht, ist nur eine Minderheit der mit Tasern überwältigten Personen bewaffnet. Zudem kommt der Taser in erster Linie zum Einsatz, um unkooperative und verhaltensauffällige Personen, die nicht ernsthaft gefährlich sind, ruhig zu stellen.

Zehn Jahre vor 1984
(Thomas A. Swift’s Electric Rifle), einem Fantasienamen, der einer populären Science-Fiction-Romanfigur entlehnt ist, entwickelte 1974 Jack Cover, ein Wissenschaftler, der bei der Apollo-Mondlandung involviert war. Prinzipiell funktioniert die Waffe gleich wie heute: Zwei Pfeile werden an Drähten von der Pistole weggefeuert, bohren sich in Kleidung und Haut des Getroffenen und leiten den Strom einer Batterie über. Da dieser Prototyp allerdings Schiesspulver verwendet, wird er als Feuerwaffe bewertet. 1993 kommt ein Modell auf den Markt, das Druckluft verwendet, um die Projektile abzufeuern, und dadurch nicht dem Schiesswaffengesetz untersteht.
Die pistolenähnliche Waffe feuert zwei angelhakenähnliche Projektile ab, die jeweils mit einem gut sechs Meter langen Kabel mit der Waffe verbunden sind. Treffen beide Projektile die «Ziel-Person», wird diese mit Stromstössen (bis 50 000 Volt) vollgepumpt. Sie kollabiert, da sich alle Muskeln unwillkürlich und krampfartig zusammenziehen.

Aufrüstung in der Schweiz
Nach der Empfehlung der Schweizerischen Polizeikommission vom Juli 2003, die den Taser verharmlost, schaffen einige Kantons- und Stadtpolizeien «Destabilisierungsgeräte» vom Typ Advanced Taser X26 E an, also die gleiche Waffe, die auch in den USA verwendet wird und deren Einsatz zu besagten Todesfällen geführt hat.
Die Stadtpolizei Zürich erwarb bereits vor der Empfehlung ein «Elektroimpulsgerät» des Typs M 26, das aber nur Forschungszwecken diente. Danach wurden für die Sondereinheit «Skorpion» vier Advanced Taser X26 angeschafft. Der letzte Einsatz datiert vom 9. November 2005: In einem Waldstück in Zürich-Höngg wird ein 30-jähriger albanischer Dealer, der 150 Gramm Heroin, einige hundert Franken und eine unter einer Zeitung versteckte schussbereite Pistole auf sich trägt, «ausser Gefecht gesetzt». Diese Aktion findet im Rahmen der seit August 2005 laufenden und zeitlich unbeschränkten Testphase der Stadtpolizei statt.
Auch die Kapo Baselland testet zurzeit den Taser: «Bei einem sehr gewalttätigen Untersuchungshäftling» wurde er bereits eingesetzt. Im Kanton Basel-Stadt ist die Sondereinheit «Basilisk» mit zwei Tasern ausgerüstet, die aber bisher noch nie im Dienst verwendet wurden. Ausserdem haben die Polizeigrenadiere hier die Weisung, die Sanität gleich zum Einsatz mitzunehmen, um allfälligen Verletzungen und unerwünschten Wirkungen des Tasereinsatzes vor Ort zu begegnen.
Die Stadtpolizei Bern wartet erst mal die Erfahrungen anderer Korps ab, bei der Kantonspolizei Bern verfügt die Sondereinheit «Enzian» über drei Taser. Heute besitzen folgende Kantone Taser: Explizit keine Taser besitzen folgende Kantone: Appenzell- Innerrhoden, Glarus, Jura, Luzern, Neuenburg, Nidwalden, Obwalden, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau, Uri und Zug. Von den Kantonen Fribourg, Waadt, Wallis und dem Tessin konnte der Stand nicht in Erfahrung gebracht werden.
augenauf Zürich

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