Bulletin Nr. 45; Juni 2005

Rubrik Kurzmeldungen

Auge drauf

Trauriges Jubiläum

Am 21. April 2002 wird vor dem Portal der Liebfrauenkirche in Zürich ein argloser Passant brutal niedergeschlagen. Bei den Tätern handelt es sich um zwei Stadtpolizisten, beim Opfer um den damals 19-jährigen Tankwart Eldar S. Mehr als drei Jahre sind vergangen, seit Eldar S. von zwei Stadtpolizisten in Zivil niedergeschlagen worden ist. Die Täter laufen noch immer frei herum, ihnen wurde bisher kein Haar gekrümmt. Eldar S. hingegen ist seither arbeitsunfähig und Sozialrentenbezüger. Und die Untersuchungen der Zürcher Justiz sind äusserst zögerlich: –Nur durch einen Rekurs ist verhindert worden, dass der damals zuständige Bezirksanwalt, Michael Scherrer, die Untersuchung einstellen konnte. –Ein Prozesstermin ist nicht absehbar. –Von den zwei uniformierten Tätern, die Eldar S. zusätzlich noch in der «Urania» zusammenstauchten, gefesselt zu Boden warfen und mit dem Tode bedrohten, fehlt nach wie vor jede Spur. Dass überhaupt nach ihnen gesucht wird, darf bezweifelt werden. Weitere Informationien finden Sie unter www.eldar.ch.
 
Gewaltexzesse in der Empfangsstelle Kreuzlingen
Im Februar 2005 erleidet ein Asylsuchender aus Somalia in der inzwischen notorisch bekannten Empfangsstelle Kreuzlingen einen mehrfachen Oberarmbruch mit den dort tätigen Securitas- Angestellten. Die Reaktion der Behörden erfolgt nach altbekanntem Muster: Das Bundesamt für Migration stellt sich hinter die Leitung und die Angestellten der Empfangsstelle, ohne sich irgendwelche Gedanken zu machen, warum immer diese Empfangsstelle wegen Gewaltexzessen Empfangsstelle klagt gegen den Somalier, weil er angeblich die Securitas-Angestellten angegriffen habe. Und zu guter Letzt muss die Polizei fast gezwungen werden, auch eine Anzeige gegen die Securitas-Angestellten entgegenzunehmen, was den weiteren Verlauf des Verfahrens schon fast vorwegnimmt: Es wird mit einer Einstellung enden. Ob diese Art Armbruch überhaupt dadurch zu erklären ist, dass jemandem ein Arm auf den Rücken gebogen wird, wie das die Securitas behauptet, ist dabei unwichtig. Inzwischen hat augenauf eine weitere Meldung von einem ähnlichen Zwischenfall in Kreuzlingen erhalten, wobei hier die Details noch abzuklären sind.

Sensation in Basel – Schlägerpolizisten verurteilt!
Im August 2003, nach einem Spiel des FC Basel, suchten zwei von Hooligans attackierte Studenten den Schutz der Polizei. Sie wurden festgenommen, verletzt, beschimpft und eingesperrt (siehe Bulletin 39/2003).
Ende Mai 2005 fand nun der Prozess gegen zwei beteiligte Polizisten statt. Die Anklage – lautend auf Freiheitsberaubung, Körperverletzung und Drohung – vertrat der Erste Staatsanwalt Thomas Hug höchstpersönlich. Die Forderung: zwei bzw. vier Wochen Gefängnis bedingt.
Die Verteidigung argumentierte: Erstens seien die Hooliganopfer betrunken gewesen und zweitens sei die Polizei «keine Tanzschule». Die angeklagten Polizisten waren sich keiner Schuld bewusst, sie würden «alles wieder genau gleich machen. Nicht zuletzt dank der Aussage eines unbeteiligten Zeugen kam der Strafgerichtspräsident zum Schluss, dass tatsächlich ein Fehlverhalten seitens der Polizei vorliege. Der eine Beamte erhielt zehn Tage bedingt wegen Körperverletzung, der andere drei Tage bedingt wegen «inadäquater Überführung » des Opfers ins Polizeiauto (Bewährungsfrist: zwei Jahre).
Die verurteilten Polizisten empörten sich, dass sie «so» ihre Arbeit nicht mehr machen könnten und kündigten einen Rekurs gegen das Urteil an.  

UNO-Komitee gegen Folter kritisiert die Schweiz
Das UNO-Komitee gegen Folter (CAT) hat den vierten Bericht der Schweiz zur Einhaltung der Konvention gegen die Folter geprüft. Ein Viertel des Berichts der Schweiz bezog sich gemäss einem UNOExperten auf Asylrechtsfragen. Ein Thema war aber auch das Vorgehen der Polizeikräfte bei Grossdemonstrationen wie etwa anlässlich des G8-Gipfels in Genf.
Das CAT empfiehlt der Schweiz u. a. auf den Einsatz von Elektroschockwaffen zu verzichten. Dieser ist im Entwurf des Zwangsanwendungsgesetzes, welches die Anwendung von polizeilichen Zwangsmitteln bei der Ausschaffung von ausländischen Personen regeln soll, vorgesehen. Die Empfehlungen des CAT betreffen zu einem grossen Teil den Umgang mit Asylsuchenden. In diesem Zusammenhang erwähnt das UNO-Komitee, dass auch unter dem revidierten Asylrecht dereinst die Rechte der Asylsuchenden auf ein faires Verfahren, auf effektive Rechtsmittel und soziale und wirtschaftliche Rechte zu gewähren sind.


Geheimdiplomatie statt demokratische Öffentlichkeit
Migrationspolitik: Nur auf wenigen Zeilen war zu lesen, dass in Zukunft Abkommen mit afrikanischen Staaten über die Rückübernahme von Asylsuchenden nicht mehr publiziert werden. Dies sind also die Lehren, die Christoph Blocher aus Ruth Metzlers Panne mit dem Senegal zieht (siehe augenauf- Bulletin Nr. 37, 2003). Da augenauf damals den Text des Abkommens veröffentlicht hatte, entstand im Senegal ein öffentlicher Druck, der die Unterzeichnung verhinderte. Da nun aber in Migrationsfragen keine demokratische Öffentlichkeit gefragt ist, verlegt man sich lieber auf Geheimdiplomatie.

Zum Tod von Thomi Brunner

«reich beschenkt von dir, deinem wesen, tief berührt von der art, wie du die letzten monate dein kranksein und dein sterben gelebt hast, nehmen wir abschied. du fehlst uns so sehr»

Am 4. März ist Thomi Brunner gestorben.

Lieber Thomi,
im Herbst hast du vom Krebs erfahren, den Winter überlebt und mit den ersten Frühlingsstrahlen von uns Abschied genommen. Und wir von dir.

Thomi war nicht einfach ein Mitglied von augenauf Bern. Thomi war mit uns viele Jahre lang im Asylkomitee gewesen, war beteiligt an den Diskussionen und Überlegungen, ob es auch in Bern eine augenauf-Gruppe brauche. Als sich das Asylkomitee aufgelöst hatte, sind wir gemeinsam augenauf beigetreten. Wir wollten uns nicht länger im blossem Reden üben, sondern unser asylund migrationspolitisches Agieren in konkrete Arbeit einbetten.

Thomi hat das konsequent umgesetzt: Jahrelang hat er in Bern Telefondienst gemacht – als einer von wenigen. Er hat uns vermittelt, was an Ungerechtigkeit und Übergriffen passiert, damit wir alle zusammen weiterhandeln konnten.

Die Gruppe, das Telefon – keine Mittel, um sich abzuschirmen. Thomi besuchte Menschen im Knast, traf sich mit Hilfesuchenden, diskutierte stundenlang mit ausländischen Kollegen und Kolleginnen, an oder nach der Sitzung – oft noch in den leuchtend farbigen Arbeitskleidern, die uns vielleicht allen als ein Bild von Thomi in Erinnerung geblieben sind.

Als Thomi vor noch nicht langer Zeit aus der Gruppe ausgetreten ist, tat er das nicht, weil er mehr Freizeit wollte, sondern weil seine Mutter und sein Bruder mehr Unterstützung brauchten.

«der winter war lang und kalt
der frühling ist gekommen am 15. märz»


Am Tag der Abschiedsfeier von Thomi hat die Sonne erstmals richtig warm geschienen – behalten wir die Wärme im Herzen, einen Teil davon hat uns Thomi geschenkt.

Die Freunde und Freundinnen von Thomi haben mit ihren Spenden augenauf Bern unterstützt. Wir danken ihnen allen herzlich für ihre Grosszügigkeit.

augenauf

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