Bulletin Nr. 45; Juni 2005

Zur laufenden Verschärfung der Ausschaffungspraxis

Wer stoppt den Wahnsinn?

Das Parlament ist in diesen Monaten dabei, die Grundlage für die Ausschaffung von unerwünschten AusländerInnen zu verschärfen. Die Vorlage aus dem Justizdepartement und die Beratungen in den parlamentarischen Kommissionen liessen schon das Schlimmste befürchten. Die erste Beratung im Plenum des Ständerates lässt diese Befürchtungen nun zur erschreckenden Gewissheit werden.
Was bis anhin in der Schweiz im Graubereich von polizeilichen Generalklauseln zwar bereits schon Praxis war, soll nun noch in diesem Jahr in Gesetzestexten und Verordnungsrichtlinien zementiert und legalisiert werden. Was an menschenverachtender Praxis bis anhin noch möglichst in der Verschwiegenheit hinter den Mauern von Ausschaffungshaftanstalten und Flughafengefängnissen geschah, soll nun zur offiziellen Staatsdoktrin werden.
Es stellt sich die Frage: Wie weit wollen sie eigentlich noch gehen? Sie gehen weit, sehr weit sogar. Sie gehen im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen. Fesseln, knebeln, in Windeln legen, demütigen, töten Wir erinnern uns an den palästinensischen Asylsuchenden Khaled Abuzarifa. Er wurde am 3. März 1999 durch Berner Polizeibeamte und einen Berner Amtsarzt von Bern nach Zürich-Kloten verfrachtet. Er wurde gefesselt, auf einen Rollstuhl gebunden und mit Klebebändern geknebelt. Khaled Abuzarifa verstarb an dieser «Zwangsmassnahme»; er erstickte, noch bevor er zum Flugzeug gebracht werden konnte.
Wir erinnern uns auch an den 1. Mai 2001. An diesem Tag sollte der nigerianische Flüchtling Samson Chukwu mit einem von den Bundesbehörden gecharterten Flugzeug nach Lagos ausgeschafft werden. Zwei Beamte der unité spécial d’intervention der Kantonspolizei Wallis stürmten morgens um 2 Uhr die Zelle im Ausschaffungsgefängnis von Granges/ Sion. Um den Start des teuren Charterfluges nicht zu verzögern oder gar zu gefährden, wurde Samson Chukwu sofort auf den Boden geworfen, es wurden ihm die Hände hinter den Rücken gefesselt. So wurde er belassen, bis er verstarb. Die Lage, die zu seinem Tod führte, wird als «positional asphyxia» beschrieben und ist schon seit Jahren in Fachkreisen als äusserst lebensgefährlich bekannt.
Dies sind nur die zwei von augenauf bekannt gemachten Fälle von Auszuschaffenden, die unter den Händen der Vollzugsbeamten zu Tode gekommen sind. Über Dunkelziffern und ungeklärte Selbsttötungen wollen wir hier gar nicht reden. Im vollen Wissen um diese Tatsachen ist das Parlament dabei, verschärfte Regeln zur Zwangsausschaffung festzuschreiben. Man redet davon, wie diese Menschen gefesselt, geknebelt und in Windeln gelegt werden sollen. Man spricht darüber, dass die potenziell tödlichen Taserwaffen eingesetzt werden sollen. Man debattiert darüber, wie viel körperliche Gewalt ein Auszuschaffender erdulden muss und wie dies in den entsprechenden Verordnungen geregelt werden kann.

Wie kann dieser Irrsinn gestoppt werden?
Die bisherige Arbeit des Parlamentes lässt keine Hoffnung zu, dass in diesem Gremium die Vernunft doch noch zum Zuge kommen könnte. Zu erwarten ist höchstens, dass besorgte Abgeordnete darauf drängen, dass Ausschaffungshäftlinge nur mit der offenen Hand, nicht aber mit der Faust geschlagen werden dürfen.
Regierung, Parlament und Vollzugsorgane lassen sich auch von Mahnungen internationaler Verbände wie zum Beispiel der UN-Kommission gegen Folter in keiner Weise beeindrucken. Berichte von weltweit anerkannten Organisationen wie amnesty international werden mit zynischhämischen Kommentaren hinweggewischt. Dieses Land ist wirklich an einem Punkt angelangt, an dem man sich fragen muss: Wie kann dieser Irrsinn effektiv gestoppt werden?
augenauf Basel

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