Bulletin Nr. 44; Dezember 2004

Rubrik Kurzmeldungen

Auge drauf

 
Die Blaulichtdienste
Per 1. Januar 2005 werden alle Basler «Blaulichtdienste» zusammengelegt, was bedeutet, dass die Rettungsdienste vom Sanitätsdepartement ins Polizei- und Militärdepartement Basel-Stadt (PMD) transferiert werden - um Synergien zu schaffen. Gleichzeitig erhält das PMD den neuen Namen «Sicherheitsdepartement». Ob die neue Abkürzung «SD» heissen wird und wie sehr sich die gleich gekürzelte Partei darüber freuen würde, ist nicht bekannt ...
 
Mysteriöse Fensterstürze
Am 7. September 2004 fand sich im Lokalteil der «Basler Zeitung» eine kurze Meldung über den Fund einer Leiche in der Bahnhofsgegend von Basel. Der Tote lag schon seit einigen Tagen im Hinterhof, seine Identität war vorerst unbekannt. Seine Hautfarbe war Schwarz. Vierzehn Tage später war zu lesen, dass der junge Mann - ein Asylbewerber aus Liberia - aus dem Fenster des benachbarten Asylbewerberheims sechs Meter in die Tiefe gestürzt sei und sich dabei tödliche Verletzungen zugezogen habe. Vermutlich starb er während einer nächtlichen Razzia der Polizei im Heim. Ein tragischer Unglücksfall - aber kein Einzelfall. Denn der 20-Jährige ist bereits der dritte Asylsuchende, der in diesem Jahr im Kanton Basel-Stadt aus einem Fenster stürzt. Im Mai wurde der 19-jährige Yaya Bakayoko mit schwersten Verletzungen auf dem Trottoir vor einem anderen Asylheim gefunden (Bulletin Nr. 42). Minuten vorher, mitten in der Nacht, hatten sich zwei Zivilpolizisten im Haus aufgehalten. Yaya Bakayoko starb im Spital. Mitte Juli verunglückte ein 24-jähriger Asylsuchender beim Versuch, aus dem Fenster einer Privatwohnung zu fliehen, nachdem die Freundin wegen eines Streits die Polizei benachrichtigt hatte. Er brach sich «nur» die Beine. In allen drei Fällen war die Polizei im Spiel. Möglicherweise haben alle drei Verunfallten das Risiko eines Sturzes der Konfrontation mit den Gesetzeshütern vorgezogen. Wie viel Angst muss im Spiel sein, damit ein Mensch springt?
 
Straflosigkeit bei illegaler Einreise
Wollen wir als MenschenrechtlerInnen seriös und ab und zu auch erfolgreich arbeiten, kommen wir nicht darum herum, uns - auch als NichtjuristInnen - mit Gesetzesartikeln, Texten von internationalen Konventionen und ähnlich trockenem Lesefutter zu befassen. So wurde ein Rekurs gegen eine Strafverfügung des Bezirksamtes Kreuzlingen (TG) wegen illegaler Einreise vollumfänglich gutgeheissen. Je drei Wochen Gefängnis bedingt, Fr. 450.- Busse und dazu Verfahrenskosten waren einem Geschwisterpaar aufgebrummt worden, das die Grenze illegal überquert hatte, um hier ein Asylgesuch zu stellen. Ihre Eltern waren damals bereits anerkannte Flüchtlinge in der Schweiz. Artikel 31 der Genfer Flüchtlingskonvention sagt, dass Flüchtlinge für illegalen Grenzübertritt unter gewissen Umständen (d. h. bei Vorliegen guter Gründe) nicht bestraft werden sollen. Auch Art. 23.3 des geltenden Ausländergesetzes enthält diese Ausnahme in den Strafbestimmungen. Sind Asylsuchende im rechtlichen Sinne Flüchtlinge? Was sind gute Gründe? Antworten auf diese Fragen können nur ein vertieftes Asylverfahren und eine letztinstanzliche Beurteilung geben und nicht ein Kurzverhör eines Kantonspolizisten - also ist von einer Bestrafung bei illegaler Einreise abzusehen. Auch im Kanton Thurgau. Der Aufwand und die Mühe haben sich gelohnt.
 
Struktureller Rassismus
In einem Brief der Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich, Migrationsamt, ist zu lesen: Niederlassungsbewilligung/Ihr Gesuch vom ... Sehr geehrter Herr X, somalische Staatsangehörige können keinen Rechtsanspruch auf die Erteilung der Niederlassungsbewilligung geltend machen ... Kein Computerabsturz, der Drucker wechselt nicht auf rot, die Sachbearbeiterin unterschreibt, der Brief geht zur Post. Der Empfänger, somalischer Staatsangehöriger, seit achtzehn Jahren in der Schweiz, ununterbrochen erwerbstätig, versteht die Welt nicht mehr. Hingegen weiss die Sachbearbeiterin sehr wohl, dass es überhaupt keinen Rechtsanspruch auf Niederlassung gibt, solange irgendein Beamter ein Haar in der Suppe findet. Was also soll die Anspielung auf die Staatsangehörigkeit in diesem Brief? Das Hindernis im vorliegenden Fall ist eine teilweise Sozialunterstützung, weil ein Vater von drei Kindern mit dem Lohn eines B-Arbeiters den Lebenskosten nicht gewachsen ist.

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