Bulletin Nr. 44; Dezember 2004

Basel «feiert» den internationalen Tag des Kindes

Kein Kind ist illegal!

Am 14. November verhaftet eine Basler Polizeipatrouille zwei Schwestern aus Ecuador. Sie sind 13 und 17 Jahre alt. In Handschellen werden sie auf den Posten gebracht. Beide landen im Gefängnis und werden eine Woche später am internationalen Tag des Kindes ausgeschafft.
In der Zeit, als über den Einkaufsmeilen und den Rheinbrücken wieder die Lichter aufgehängt werden und Regierungsrat Jörg Schild im Hochglanz-Weihnachtsmagazin der Stadt über die Besinnlichkeit des Advents spricht, gerät Basel aus einem ganz anderen Grund in die Schlagzeilen: Am Sonntag, dem 14. November 2004, kontrolliert eine Polizeipatrouille im Gundeldingerquartier zwei halbwüchsige Mädchen. Da die beiden ihre Adresse nicht angeben, legt man sie in Handschellen und verhaftet sie. Auf dem Polizeiposten müssen sie sich nackt ausziehen - Drogenkontrolle. Man findet jedoch nichts bei ihnen, denn Jasmin und Katherine sind weder Dealerinnen noch Einbrecherinnen. Sie haben ihre Adresse verschwiegen, weil sie illegal in der Schweiz leben. Vor vier Jahren ist ihre Mutter vor dem gewalttätigen Ehemann aus Ecuador geflohen, hat sich in der Schweiz mit Putzjobs durchgeschlagen und vor zwei Jahren ihre beiden Mädchen nachkommen lassen. Nun sind sie 13 und 17 Jahre alt, besuchen die Schulen in Basel, sprechen Schweizerdeutsch und machen sich Gedanken über ihre Berufswahl - genau wie alle anderen Kinder in ihrem Alter.
 
Mit 13 ins Gefängnis
Aber Jasmin und Katherine landen im Knast. Auch die 13-Jährige verbringt eine Nacht in der Einzelzelle im Gefängnis. André Auderset, der Sprecher des Polizei- und Militärdepartements, begründet diese Massnahme lapidar: «Wir wussten nicht, wohin mit ihr.» Offensichtlich weiss die Basler Polizei nicht einmal das Nötigste. Z. B., dass sie mit ihren Massnahmen gegen die Uno-Kinderrechtskonvention verstiess. Die Polizei gibt sich unwissend, hart und entschlossen. Nach dem Fall der sechsköpfigen Sans-papiers-Familie Estrada, für die die Einwohnerdienste unter grossem öffentlichem Druck letzten Frühling eine Aufenthaltsbewilligung ausstellen mussten, liegt der Verdacht nahe, dass man einen weiteren solchen Fall mit allen Mitteln verhindern will. Die Opfer dieser ignoranten Schreibtischtäterpolitik bleiben meist unerkannt; sie leben hier und verschwinden klammheimlich wieder, entweder «freiwillig» oder mit Polizeigewalt, immer aber unter Zwang. Mit den ecuadorianischen Mädchen erhalten zwei Schicksale einen Namen. Die Demo am Vortag der Ausschaffung, mehrere Interpellationen im Grossen Rat und die Einschaltung der kantonalen Abteilung für Kinder- und Jugendschutz nützen nichts. Am internationalen Tag des Kindes, dem 20. November, werden Jasmin und Katherine ausgeschafft. Während die Jüngere in Begleitung ihrer Lehrerin nach Kloten fährt, wird die 17-Jährige von der Polizei direkt aufs Rollfeld und ins Flugzeug gebracht. Nach einer Woche im Gefängnis lassen ihr die Basler Staatsdiener keine Möglichkeit, sich von ihrer Mutter, ihren Freundinnen und ihrer Schulklasse zu verabschieden. Nun sind die beiden Mädchen zurück in Südamerika. Die Mutter, für die ebenfalls «ein Platz im Flugzeug reserviert» war, bleibt untergetaucht. Die Angst vor ihrem gewalttätigen Ehemann, einem Polizeioberen in Quito, ist zu gross. Mittlerweile haben sich auch Amnesty International und Unicef eingeschaltet. Fünf Tage nach der Ausschaffung der Kinder versammeln sich 500 bis 1000 Menschen zu einem Protest. Am gleichen Tag erscheinen in den Zeitungen Ankündigungen über diverse Verschärfungen in der Ausschaffungspraxis (siehe Seite 1). Die Kreise, welche die Menschenrechtsverletzung an den zwei Kindern zieht, werden immer grösser. Ältere Menschen fühlen sich in Leserbriefen an vergangene Zeiten erinnert, andere wollen demonstrativ ihr Bürgerrecht abgeben. Der politisch verantwortliche Regierungsrat Jörg Schild hat mit Kindern in Basler Gefängnissen offensichtlich keine Probleme. Kommentieren wollte er die Kinderausschaffung bisher nicht. augenauf Basel

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