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Opfer trotz polizeilicher Falschaussagen schuldig gesprochen!

Juristische Aufarbeitung eines Hundebisses

Am 1. Mai 2003 wurde in der Basler Innenstadt ein Mann von einem Polizeihund gebissen, worauf er für anderthalb Monate arbeitsunfähig war und unter anderem wegen Landfriedensbruch, Gewalt gegen Beamte und Hinderung einer Amtshandlung angeklagt wurde. Fast ein Jahr später stand er gemeinsam mit einem Teilnehmer der Nachdemo vor dem Strafgericht. Augenauf hat den Prozess beobachtet:


 

Die Verhandlung, die auf einen ganzen Tag angesetzt worden war, wärmte die Vorgeschichte und die Umstände der Nachdemo und jener Schlägerei mit Rechtsgerichteten, aus welcher der Hundebiss resultierte, nochmals auf. Die beiden Angeklagten, der Demonstrant und der Passant, wurden von einem Dreiergericht ausgefragt. Als Zeugen waren ein weiterer Nachdemo-Teilnehmer sowie drei Polizisten geladen, darunter der Hundeführer.

 
 

Die Zeugenaussagen der Polizisten lassen sich einfach zusammenfassen: Alle drei konnten sich im April 2004 besser an das Geschehene erinnern als bei der ersten Befragung kurz nach dem Vorfall. Alle hatten dieselbe Situation gesehen und schwächten ihre «100%ig sicher»-Behauptungen jeweils erst ab, wenn der Richter sie auf Widersprüche aufmerksam machte. Ein Beispiel: Im Gegensatz zu den Angeklagten sagten alle Polizisten unisono aus, dass der Passant den einen Polizisten angegriffen, mit Händen und Füssen getreten und zu Boden gerissen habe, als dieser versucht habe, den Demonstrant festzunehmen. Ein zufällig aufgenommenes Video, das vor Gericht abgespielt wurde, zeigte allerdings einen anderen Tatvorgang: Der Passant hätte für all diese Bösartigkeiten, welche die Zeugen so genau gesehen haben wollten, höchstens eine halbe Sekunde Zeit gehabt, ehe er selber (als einziger) am Boden lag, mit einem Polizeihundegebiss im Bein.
Das betretene Schweigen und darauf folgende Abwiegeln mit Hang ins Nervöse, das die Aussagen der Uniformierten zunehmend begleitete, wirkte aufs Gericht aber offenbar anders als auf die meisten im Publikum. Denn ungeachtet all dessen, was in der Verhandlung gebogen, gelogen und erzählt wurde, wurden die Aussagen der Polizisten für glaubwürdig gehalten und beide Angeklagten für schuldig erklärt. Der Teilnehmer der Nachdemo kassierte sechs Monate Gefängnis bedingt wegen eines ganzen Rattenschwanzes von Delikten, die er an diesem 1. Mai begangen haben soll.

Auch der Passant wurde verurteilt, wegen Hinderung einer Amtshandlung. Allerdings sah der Richter bei ihm, in Anrechnung des Hundebisses, von einer Bestrafung ab. Bleibt zu spekulieren, ob in Zukunft Menschen, die im Kanton Basel-Stadt Zivilcourage zeigen und deshalb vor die Schranken des Gerichts zitiert werden, unter einer breiteren Palette von Strafen aussuchen können; neu im Sortiment neben Haft oder Busse beispielsweise der Biss eines Polizeihundes, Peitschenhiebe oder Pranger...

 

Zwei Nachträge:

  1. Die strafrechtliche Rehabilitierung des Polizeihundes in diesem Fall wäre nicht nötig gewesen. Das Tier wurde nämlich bereits kurz nach seinem Einsatz vom 1. Mai unehrenhaft aus dem Polizeidienst entlassen, nachdem es sich auf der Suche nach einem Einbrecher ins leichter erreichbare Bein eines Schaulustigen verbissen hatte.
     
  2. Über den rätselhaften «schwarzen Block», der während der Verhandlung immer wieder erwähnt wurde, lieferte ein Polizist auf die Frage eines Verteidigers folgende präzise Beschreibung: Das seien die Linksextremen aus Basel. Sie seien engagiert. Einige von ihnen wohnten an der Elsässerstrasse. Und manchmal würden sie demonstrieren.